Die Mittwochsweisheit, Folge 4

Dass mir die nachfolgende Geschichte niemand glauben wird, das ist ja eigentlich von vornherein klar. Warum sie also aufschreiben? „Content is king“, würde der Marketing-Mensch darauf antworten. „Das Marketing hat noch nicht begonnen für diesen Tag“, hielte PeterLicht dem Entgegner entgegen. Aber einerseits ist der Mittwoch ja doch schon wieder stark seinem Ende zugeneigt (das zieht dem in der Seite, kann ich euch sagen, aber selbst schuld, wer sich zu selten dehnt!) und andererseits, apropos Peter.

Eigentlich wollte ich die werte Leserschaft diese Woche ja mit einer Rezension von Hermann Hesses Peter Camenzind beglücken, aber das müsst ihr euch leider an den Hut schminken. Das ging ja gleich am Anfang los bei dem. Erstes Kapitel, erste Seite, erste Zeile. Erster Satz.

Im Anfang war der Mythus.

… so lässt der Hermann den armen Peter beginnen und eröffnet damit spornstreichs den Weg zum Ende. Ich dachte, am Anfang war irgendwie Tat oder Wort oder Apfelkompott, aber nee, es war der Mythus! Nun denn … dann kann ich mir den Rest ja auch zusammenreimen, hab ich mir gedacht. Das letzte Wort des Werkes lautet übrigens „auf“. Das ist ja schon wieder ermunternd. Im Anfag steht zwar der Mythus – worauf wartet er denn da eigentlich und ist das dem Anfang nicht unangenehm? – aber am Ende geht es irgendwie nach oben. Das Buch ist also vermutlich komplett als Frage zu verstehen, würde man seine Semantik mal eben zur Satzmelodie transponieren. Weißte wie? Aber ich schweife ab. Lassen wir den Peter mal links liegen und schwingen unsere Aufmerksamkeit nach rechts, direkt auf die Geschichte zu, die ich euch nicht komplett erzähle, weil es mir ja dann eh wieder keiner glaubt. (Oh Mann, der Marketing-Mensch würde jetzt schon von Clickbaiting und Curiosity Gaps schwadronieren, aber zum Glück ist der grad nicht da.)

Ich kam nämlich, um den springenden Punkt mal einzufangen und ein Weilchen mit ihm zu hopsen, also quasi trampen, nur mit hopsen, also dann eher so … tropsen? Jedenfalls, ich kam da neulich, ohne weiteres Zutun meinerseits natürlich, auf den Hund. Beweis:

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Tja, und dann war ich aber da. Der Hund ist eine Hündin und eigentlich ganz ok gewesen, hätte sie nicht dauernd versucht, mir die Haare zu flechten. Naja, Frauen. Ich gewann ihr Vertrauen mit Leichtigkeit und säuselte sie lieblich in den Schlaf, um mich alsdann unauffällig (!) anzuschleichen.

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Klappte auch soweit ganz gut, denn – und das hätte keiner gedacht! – die Dame interessierte sich überhaupt nicht dafür, wo ich herumschlich, sondern pennte einfach weiter. Der faule Hund!

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Naja, und dann ging alles ganz schnell. Sie öffnete im Halbschlaf ein Auge, säuselte etwas, das beinahe nach Matriarchat klang und seitdem habe ich sie am Bein. Oder auch mal am Arm oder am Auge. Also, ich habe natürlich sowieso immer ein Auge auf sie, das ist ja klar. Und wenn sie schlechte Laune hat, dann spielen wir „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, aber da gewinnt sie immer, weil ich meine Zähne noch nicht gefunden hab. Nun, an solchen Kleinigkeiten sollte man sich nicht festbeißen.

Was war denn heute eigentlich nun die Mittwochsweisheit? Ja ähm. Manchmal kommt du leichter auf den Hund als das Jungtier zum Rinde. Gerade jetzt, wo es nachts wieder kühler wird (vor allem draußen).
Darum schließe ich, damit er nicht allzu beleidigt ist, heute dennoch mit Hermann Hesse:

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein.
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

Hach, traurig, aber wahr. Zum Glück bin ich a) kein Mensch und b) niemals allein, da die Menschin ständig überall ihre Haare verliert Finger im Spiel hat. Und jetzt habe ich ja noch eine neue Freundin. Die sabbert zwar, wenn sie schläft, aber gut, da ist zur Menschin auch nicht mehr viel Spielraum. In diesem Sinne, euch allen schon mal einen schönen dritten Advent!

Das Dienstagsding, diesmal: Kunst.

Die Menschin hatte sie wieder einmal – ungefragt und ungewaschen saß sie neulich mit bei uns am trauten Frühstückstisch: die Krise. Eigentlich war es mein Fehler, denn ich hatte Eierkuchen gemacht („Pancakes“ gibt es bei uns nicht mehr, weil die neue Pfanne kein Englisch kann) und das hat die Krise wohl angelockt. Lässig schwang sie sich durch’s Küchenfenster herein und kollidierte fast mit dem entfleuchenden Eierkuchen-Mulm, wich fluchend aus und schmetterte ihren dürren Knochenpopo ungefragt auf einen gut gepolsterten Stuhl.

Die Menschin kam herangeschlichen, kämpfte sich Meter um Meter durch das dröhnende Gegenlicht und ließ sich schließlich auf ihren Platz fallen, während ich noch mit der Pfanne jonglierte. Mit dem rechten Fuß reichte ich ihr eine Tasse Tee und warf ihr aus dem Mundwinkel ein Lächeln herüber. Die Menschin gähnte derart, dass ihr Morgenmantel noch lange nachwehte … Aber ich komme hier ja ganz vom Thema ab.

Also, was ich eigentlich sagen wollte. Es dauerte genau 1,692 Eierkuchen, bis sie die Krise bemerkte, die unbeteiligt an ihrem Appetit nagte.
„Was willst du hier?“, fragte sie überrascht und ein wenig zander barsch, doch die Krise zog nur pfeifend Luft durch die Schneidezähne und ließ sich dann zu einem Grinsen herab. Die Menschin legte ihr Besteck zur Seite. Ich legte die Ohren an. Ein Grasballen fegte durch die Küche und verglühte im Gleißen der Morgensonne. In der Ferne bellte ein Hund. Brutus-Jolanthe seufzte vor der Tür.

„Ich komme mit einer Frage“, versetzte die Krise schließlich.
„Ich werde dich nicht daran hindern, mit deiner Frage auch wieder zu gehen“, gab die Menschin zurück. Sie schien nicht gerade … amüsiert. Die Krise fragte trotzdem.

„Welche Berechtigung kannst du eigentlich vorweisen, den lieben langen Tag nichts Sinnvolles zu tun und stattdessen Kunst zu ‚machen‘?“

Eine Fliege versuchte unauffällig, das knappe Eierkuchendrittel der Menschin an sich zu reißen, doch die Zunge der Krise war schneller. Genüsslich lutschte sie ein Fliegenbein nach dem anderen. Als sie sah, dass die Menschin jegliche Antwort schuldig zu bleiben gedachte, nahm sie einen Hut von der Wand, setzte ihn sich aufs Haupt, um ihn direkt wieder zu lüften und kommentarlos die Regenrinne hinabzurauschen. Weg war sie! Heiliges X, das war knapp gewesen. Doch die Menschin schaute nicht gerade ritterlich drein.

„Was soll man dazu sagen?“, fragte sie mich, MICH!, und betrachtete zagend den Grund ihrer Teetasse. Ich zuckte die Schultern. „Eigentlich hat sie doch gar nicht recht“, versuchte ich vorsichtig, eine Wogenglättung anzusteuern. „Schließlich machst du doch gar keine Kunst.“

Nun, das Glätten ohne Plättbrett ist in den seltensten Fällen eine faltenfrei gute Idee. Doch ich bemerkte es erst, als sich der Blick der Menschin bereits in einem ungesund intensiven Stadium auf mir gebündelt hatte und sie augenscheinlich versuchte, mich ohne Retourschein zum Teufel zu … „Heiliger Bimbam, da bin ich wieder!“, krähte es da noch einmal durch das Fenster herein. „Ich hatte vorhin etwas vergessen. Du sollst die Frage bitte beim Nachbarn abgeben, ok? Ich stecke ihm auch einen Zettel in den Briefkasten!“

Das Dienstagsding, diesmal: Spinnen.

Wir haben jetzt ein neues Haustier, die Menschin und ich. Es ist eher ihr Haustier, weil es

a) kein besonders renommiertes Tier ist, weshalb ich es ihr nicht neide und
b) vor ihrer Wohnung wohnt – und man soll ja immer vor der eigenen Haustür kehren.

Und zwar, also, wie sagt man das charmant und nonchalant, ohne die Damen im Publikum der Ohnmacht in die Arme zu treiben … es ist eine Wachspinne. Bildmaterial erspare ich euch, weil sie auf Fotos immer die Augen geschlossen hat. Und das sieht ja nicht aus!
Sie sitzt im Türrahmen der Wohnungstür, von außen gesehen in der oberen linken Ecke, und chillt sich da einen. Und sie wacht. Ob sie uns allerdings be- oder überwacht, das konnte ich noch nicht endgültig abklären.

Ich habe die Wachspinne zur Sicherheit Brutus-Jolanthe getauft, da man sich nie sicher sein kann, mit wem man es da eigentlich zu tun hat. Aber ehe ich hier weiter nach dem Dativ frage, was am Ende eh wieder keinen interessiert – zumal der Dativ seit der Genitiv-Emanzipation ja einen dezent schlechten Ruf wegbekommen hat -, wenden wir uns mal wichtigeren Dingen zu: der Spinne an sich.

Das „Ding an sich“ ist, wie wir seit verkanteten Zeiten wissen, etwas, das auch ohne die Wahrnehmung durch ein Subjekt existiert. Auf gut Deutsch: Es ist da, egal, ob wir das wissen oder nicht. Dem Ding an sich ist das völlig schnuppi! Es ist ihm sogar lieber, vom Subjekt ignoriert zu werden, da es sonst chancenlos zum Objekt degradiert würde, zu einem Gegenüber, das betrachtet und untersucht werden könnte … und damit auch für Staubsauger oder Badelatschen angreifbar wird! Welchem Paradebeispiel könnte dies gefährlicher erscheinen als einer Spinne? Richtig, zwei Spinnen. Aber wir wollen mal die Kirsche im Korb lassen.

Seit ich das Rätsel um die philosophische Herkunft der Arachnoiden (Tjaha, ich kann auch gebildet tun!) gelöst habe, ist mir so einiges klar geworden. Kennt ihr das nicht auch, dass ihr wochenlang unbedarft durch eure Gemächer schreitet, immer die gleichen Wege entlang, immer mit derselben wohlig-kuschligen Gewissheit, dass es in eurer Residenz nichts gibt, was eurer Eudämonie im Wege stehen könnte … und am Tag X – der Name ist Programm – sitzt ausgerechnet in einer Ecke, die seit dem letzten Millenniumswechsel rein und unberührt war wie der erste Neuschnee, also, oha, ich verheddere mich wie in einem Netz in diesem Schachtelsatz, in der Ecke jetzt also, da sitzt mir nichts, dir nichts ohne jede Vorwarnung … plötzlich eine Spinne!
„Himmel, X und Zwirn!“, denkt ihr euch. „Das kann doch nicht sein, die war doch vor einer Sekunde noch nicht dort! Und ich habe doch weder Türen noch Fenster, genau genommen wohne ich zehn Meter über dem Erdkern, ES IST VÖLLIG UNMÖGLICH, dass sich diese Spinne dort jetzt materialisiert!“

Ja, das denkt ihr, aber ihr habt die Rechnung ohne Miss Achtbein gemacht. [Der doch egal, was ihr für unmöglich haltet! Die fährt Toyota!] Lässig schlägt sie zwei ihrer Extremitäten über zwei andere, führt eine Zigarettenspitze zwischen ihre Hauer und säuselt lüstern: „Beim Immanuel, jetzt machst du mich aber zum Objekt!“

So ähnlich war das auch bei Brutus-Jolanthe und die Menschin befand sich bereits knapp an der Grenze, sich zu devitalisierenden Maßnahmen hinreißen zu lassen … aber die Sache ist nun die:

a) Brutus-Jolanthe raucht nicht.
b) Sie wohnt im Treppenhaus, also außerhalb unseres Hoheitsgebietes.
c) Sie wacht über uns. Seit ihrer Anwesenheit wurden wir kein einziges Mal überfallen!
d) Sie grüßt immer freundlich. Und es ist schon ein gutes Gefühl, wenn du nach Hause kommst und jemand wartet auf dich.

Also haben wir Recht vor Ungnade ergehen lassen und uns arrangiert. [Vielleicht können wir die Hausordnung auf sie abwälzen, wenn sie so lange hier ist, dass sie quasi als eingebürgerter Hausmitbewohner gelten könnte.] Vorerst mache ich auch keine blöden Witze mehr darüber, wenn die Menschin mal wieder ausruft: „Ich glaube, ich spinne!“

Das Dienstagsding, diesmal: Verführung

Es war einmal ein Mann, der hatte sieben Söhne. Die sieben Söhne sagten: „Vater, erzähl uns eine Geschichte!“ Und der Mann fing an: Es war einmal ein Mann, der hatte sieben Söhne …

Thihihi, kleiner Scherz. Jetzt hattet ihr schon Angst, was? Beim heiligen X, habt ihr gedacht, jetzt erzählt der Märchenkobold tatsächlich schon echte Märchen, und dann auch noch welche, die sich stets im Kreis drehen! Ein Perpetuum-mobile-Märchen quasi, das sich so lange selbst wiedererzählt, bis die Zuhörer um Gnade winseln und ein Aufhören begehren, doch was man einmal angefangen hat, das fängt einen im Gegenzug oft gleich mit weg und dann ist ein Freikommen schwer, tjaha!

Hm, irgendwie habe ich heute Morgen einen morbiden Schluck Tee erwischt. Räusper. Kommen wir mal zur Sache.

Die oben angefangene nie endende Geschichte müsste ja eigentlich so gehen: Es war einmal ein Hugo, der hatte eine Menschin. [Nein, NICHT andersherum! Hier bin immer noch ich der Boss, auch wenn sie den Strom bezahlt. Ich habe schließlich keine Füße unter ihrem Tisch, ha!] Die Menschin sagte: „Hugo, bring doch mal den Müll raus! Und dann bring doch gleich die Zeitung mit hoch. Und Hugo, kannst du den Abwasch übernehmen?“ Hugo antwortete: „Aber Menschin, ich bin doch auf heißes Wasser allergisch. Du weißt, dass ich Angst vor dem Schrumpfen habe!“ Doch die Menschin entgegnete frauisch: „Und du weißt, dass ich allergisch auf Ausreden bin! Vielleicht sollte ich dich in einen Turm sperren, und dann kannst du dir aber mal die Haare wachsen lassen!“ Also streute Hugo sich auf dem Weg zum Müll eine Spur aus Brotkrumen und stahl nebenbei im Nachbarsgarten noch ein paar Rapünzchen … Nee, Moment. Er verschluckte einen Apfel, stolperte und landete auf sieben Zwergen! Jedenfalls wusste er, er durfte diese eine Kammer nicht öffnen. Und dann stand da noch ein Esel rum und neben ihm ein toll gedeckter Tisch. Aber warum hatte der Kater unter dem Tisch denn Stiefel an? Und lugte ihm da tatsächlich ein vergoldetes Froschbein aus dem Maul?

Brechen wir an dieser Stelle lieber ab, ich schweife ja schon wieder vom Thema weg wie ein schlechter Schwimmer vom Ufer. Was ich eigentlich sagen wollte – und vielleicht begründet das auch meinen sehr gut kontrollierten und im Zaum gehaltenen Unmut gegenüber der Menschin heute Morgen … [Wenn sich Mut mit Unmut paart, was kommt dabei heraus? Nmut? Hm.] Ich stehe so in der Küche und mache meinen Morgensport, während der Tee zieht, da fällt mein Auge plötzlich nach rechts auf das Schränkchen, auf dem die Teekanne wohnt. Potzblitz, denke ich, da ist ja jemand Neues eingezogen. Eine Kleingruppe! Die leckerste Kleingruppe, die mein Blick jemals das Glück hatte zu berühren! Heiliges X, da habe ich gewusst, was Liebe ist. Ich stürze hinüber zu den Begehrten, stelle mich vor, stelle mich dann dahinter, sinke auf die Knie, dann auf den Hintern und verliere mich in Seligkeit und Duft und Wonne.

Tartelettes

Sie haben „Papa“ zu mir gesagt! Alle! Ich taufte sie Gerold, Herold, Jörg und Dörk und machte mich gerade daran, Herold an den Mürbeteigkragen zu gehen, da riss mich eine höhere Macht am SchneewittSchlawittchen nach oben und entfernte mich vom jüngst gewonnenen Glück.

„Was machst du da?“, wütete die Menschin.

„Ich äh … wollte mich mit meinen neuen Freunden bekannt machen?“, reagierte ich souverän und schlagfertig. Sie ließ sich nicht täuschen und atmete auf erhöhtem Pulslevel, was mich zu einer unterwürfigeren Methode zwang, um nicht von ihr fallen gelassen zu werden:

„Sie haben mich verführt! Kennst du das nicht, entzückende Menschin, Verführung? Du läufst schön geradeaus deinen Weg entlang und plötzlich – ZACK! – steht der Wolf am Wegesrand und lockt mit Blümchen und Törtchen. Und auf einmal gibst du die Führung ab und läufst einfach so mit, weil du so viel entspannter die Landschaft betrachten kannst, und dann ist die Verführung ja quasi schon, also, gar nicht mehr weit, sondern eher nah, also im Prinzip da, und dann sind deine Chancen ja sozusagen wieder weg, genauso wie der Weg! Tja und dann guckste. Ich kann also nur sagen -„, in einer dramatischen Pause holte ich Luft und zum letzten Schleimschlag aus, „… danke, dass du mich gerettet hast. Vielen Dank. Magst du ein Törtchen?“

Die Menschin ließ sich tatsächlich vorführen und setzte mich besänftigt auf eine Sänfte die Theke ab. Puh! Aber ich sage euch, Frauen sind nicht so leicht zu bedienen wie eine Boeing 747. Ein Grinsen schlich sich in ihr fein konterndes Konterfei.

„Ich denke, Hugo, um dich der Verführung zu entheben, gebe ich dir etwas Unterstützung an die Seite.“

Sie griff nach einer Paprikaschote, die sich bis dahin im Hintergrund gehalten hatte, und erklärte, sie brauche das Gemüse für’s Mittagessen dann bitte in kleinen Würfeln. Ich widersprach, dass ich dem Glücksspiel abgeschworen habe, doch die Menschin hörte nicht darauf. Sie war schon der Küche entrauscht und ließ mich mit Dr. Pap, wie er sich nannte, allein. „Gelobt sei das X“, sagte ich zu ihm, „harren wir einfach der Dinge, die da kommen!“

Paprika

PS.: Falls jemand wie ich der Verführung erlegen ist:
360 g Mehl + 40 g Kakao + 200 g Butter + 80 g Zucker + 1 Ei + 1 Prise Salz zum Mürbeteig verbauen. [Oder, wer’s hell mag, 400 g Mehl und 0 g Kakao – und der ganze Rest.] In 12 etwa gleich große Teile rupfen, diese jeweils ausrollen, in gut gebutterte Tartelette-Formen einpassen und mit einer Gabel ein paar mal piksen, hihi. Dann 18 Minuten bei 180 °C Ober-/Unterhitze schmoren lassen. Nach dem Abkühlen aus der Form werfen – aber zärtlich! Pudding kochen, schön heiß draufmatschen, mit Obst bedecken. Und dann alles sehr, sehr gut … verstecken.

Das Dienstagsding, diesmal: Wuscheliger Winterschlaf.

Drolliges Donnerwetter, das war eine Nacht, was? Es kommt mir vor, als hätte ich über drei Monate geschlafen. Das ist natürlich doppelt Quatsch. Käme es vor mir, dann läge es ja nicht zurück, und wie einer es schaffen will, sich über einem Monat (oder gar mehreren!) zur Ruhe zu betten, ist mir ein Rätsel. Ein Monat ist doch keine Hülsenfrucht, und außerdem bin ich ja gar keine Prinzessin. So.

So oder so ist plötzlich März und der meteorologische Frühlingsanfang ist bereits an der heimischen Klimazone vorbeigeflitzt, dass einem der Fahrtwind die Haare zerzauste. „Frühlingsstürme“ nennt das die Menschin. Sie sitzt den halben Tag vor dem Computer und vernichtet (Frühlings-)Türme von Schokoladenweihnachtsmännern. Das wiederum nennt sie „Vorbereitung für Ostern“. Ich fragte sie, ob man da nicht eher Eier anmalen solle oder Hasen verstecken oder so. Sie sagte, wenn ich weiter ihren Ernährungsstil kritisiere, würde sie mich so gut verstecken, dass ich mich selbst nicht mehr fände. Das fand ich durchaus überzeugend und mich entsprechend damit ab.

Was ich aber eigentlich sagen wollte. Ich habe einen neuen Kumpel, mal wieder, und zwar einen blauen, blütigen Kaktus, der weder spricht noch sticht. Ein großartiger, kleiner, artiger Kerl, den ich euch unbedingt vorstellen muss:

Kaktus

Ja, ich weiß, er hat auf dem Bild die Augen zu, aber da war nix zu machen. Dafür hat er die Blüten offen, das ist doch auch mal was. Da er außerdem keinen Namen hat, nenne ich ihn Nlk (namenloser Kaktus). Zugegeben, anfangs ist die Aussprache etwas schwierig, aber nach dem dritten Caipi lässt sich das lösen. Generell lösen sich nach drei Caipis viele Dinge in Wohlgefallen oder wenigstens im Nebel auf. Aber ich gleite ab.
Nlk und ich trafen uns bei einem Junggesellinnenabschied zum ersten Mal. Ich kam zufällig des Weges, als er von einer Horde kreischender Damen mit abwesender Alkoholverträglichkeits-Selbsteinschätzungs-Kompetenz durch die Gegend getragen wurde. Sie hatten tatsächlich vor, den wehrlosen Nlk an den erstbesten dahergelaufenen Menschen zu verkaufen! Mit dem Ziel, den Erlös in zusätzliche Destillate umzuwandeln! Sapperlot, dachte ich da, und verhalf ihm zur Flucht. Es gelang uns knapp. Nach drei Tagen in der Wildnis verließen wir unsere Deckung, kehrten zur Menschin zurück und sie päppelte ihn auf. Das muss man ihr lassen – für gehäkelte Kakteen hat sie ein Händchen.
Jetzt gehen wir ab und zu gemeinsam einen trinken und reißen Frauen auf. Das war jedenfalls der Plan, bevor ich in den Winterschlaf gefallen bin. Hoffentlich passiert das nicht so schnell wieder. Ich werde berichten … aber erstmal ist Mittagsruhe. Denn in der Ruhe gärt der Saft! Hochhut kommt vor im All. Also immer schön die Beine vom Tellerrand baumeln lassen, liebe Freunde. Das X findet euch letztlich auch ohne GPS.

Es bessert die Vermessenheit, bis der Messer „Besser!“ schreit.

Anstelle einer Einleitung heute direkt mal eine visueller Reiz, da der Leser ja bekanntlich seine Augen auch gern mal ausruht und dazu wahlweise aus dem Fenster oder auf Bilder [oder a) auf Bilder mit Fenstern oder b) auf Fensterbilder] starrt.

Vorstellung

Jetzt wisst ihr also schon Bescheid. Das ist ich! Eigentlich müsste dort natürlich „Das bin“ stehen, aber man kann ja von den Menschen auch nicht alles verlangen. Da ich einmal so im Bildermodus bin, dürft ihr anhand des folgenden Bildes auch gleich noch raten, wo ich ist:

Nachstellung

… richtig geraten: In Frankfurt am Main! Hat das X euch verwirrt? Dachte ich mir. Also nochmal von vorne.

Inzwischen bin ich nicht mehr in Frankfurt am Main, denn da ist ja heutzutage gar nichts mehr los, aber letztes Wochenende sah das noch ganz anders aus. Die Menschin hat mich mal wieder fertiggemacht. Ich glaube ja, dass sie 50 % ihrer Zeit, also im Schnitt 4320 Minuten pro Woche [Sonntag ausgenommen] darauf verwendet, sich zu überlegen, wie sie mich in Stress versetzen könnte, und die anderen 4320 Minuten dann dazu nutzt, den Plan umzusetzen. Ja und Sonntag legt sie die Beine hoch, als ob nichts wäre. Aber ich schweife ab.
Die Menschin und ich setzten uns also letzte Woche Freitag in einen Zug [Bitte keine Nachfragen, warum dieser Eintrag erst heute kommt, wo der Plot doch schon letzte Woche Freitag begann … das X wird zu rechter Zeit die linken Antworten liefern.] und zunächst musste ich wieder in der Tasche sitzen, damit der Schaffner mich nicht sieht, denn Fahrkarten sind ja auch nicht mehr das Billigste heutzutage. Wir verbrachten eine umfassende Anzahl von Zeiteinheiten in dem ratternden Objekt, dann wurde ich ausgestiegen und woanders wieder eingestiegen und wieder ausgestiegen und plötzlich mit einer befremdlichen Menschenmenge konfrontiert.

Fans

Mein erster Gedanke war, dass es dort irgendwas kostenlos gab und der zweite, dass ich doch zu lange geschlafen und daher meine eigene Berühmtwerdung verpasst hatte. Die Menschin verneinte beides und sagte, wir wären auf einer Messe.
Was hier gemessen werde, abgesehen von der allgemeinen Belastbarkeit eines Individuums während der Konfrontation mit zu vielen Mitwesen, fragte ich weiter.

„Bücher“, sagte sie.

„Bücher?“, harkte ich nach.

„Bücher!“, beendete sie die Diskussion.

Das fand ich reichlich merkwürdig, beließ es jedoch zunächst dabei. Wozu messen Menschen Bücher, wenn man die doch eigentlich lesen soll? Oder fehlt da ein r und eigentlich werden die Bücher geschnitten? Verschnitten? Oder hat es am Ende doch was mit dem Bruder des heiligen X zu tun?
Natürlich erhielt ich ganz glaskastenmäßig darauf keine befriedigende Antwort. Es ist ja aber generell häufig so, dass die Antworten der Menschen mich vom Frieden eher entfernen als ihm näherbringen.

Nun verbrachten wir zwei Tage auf dieser vermessenen Veranstaltung, auf der tatsächlich wie in einem Streichelzoo Bücher ohne Ende durch Menschenhände gingen. Sie lagen überall herum, sie wurden ungefragt angefasst und sogar geöffnet, aber am Ende verblieben sie bei ihren Wärtern. Es war empörend. Wie sich die Bücher dabei fühlten, darum kümmerte sich kein Mensch und auch kein anderes anwesendes Wesen. Ich hätte ja … aber die Menschin hatte mich stets fest im Griff.

Zwei Dinge sind mir aufgefallen während dieser unfreiwilligen Studie des Verhaltens von Messemenschen:

a) Sie konsumieren noch mehr Alkohol als Nichtmessemenschen.
b) Sie konsumieren noch mehr Alkohol als Nichtmessemenschen.

Beweise? Beweise!

In Bar

Dort saßen sie, und dann verleiteten sie den armen kleinen Kobold direkt zur Mittäterschaft.

Mojito   Ginial

Was hätte ich tun sollen? Um mal eben zu rilken: … aus dem Ewigen ist kein Ausweg! Wer widerruft Jubel? [Kennste nicht? … Die Ecke des heimlichen Schämens ist hinten halb links.]

So war das also. Messe, tz. Was das soll! Ein Vorwand für Gruppengelage und haptische Buchbelästigung, das war das! Aber das darfste ja wieder nicht laut sagen. Sonst verschwindest du auch mal ganz schnell zwischen zwei Deckeln und dann ist aber Schluss mit lustig! [Warum eigentlich Schluss mit lustig? Was ist das denn für eine grammatikalische Konstruktion? Unklar.]

Der positive Nebeneffekt der ganzen Schinderei war aber natürlich, dass ich ein paar hochinteressante Verbündete gefunden habe, zum Beispiel einen Müslibecher und eine junge Dame. Die hatten sich auch schon dem ultrageheimen Untergrund angeschlossen, wollen aber in der Öffentlichkeit nichts weiter darüber sagen, da das mit dem „ultrageheim“ ja sonst in Zukunft eher schwierig wird.

Frühstück Fräulein

Welches Fazit ist zu ziehen? Frankfurt hat äußerst interessante Architektur zu bieten.

Kunst

… ansonsten verhält sich die Stadt eher unauffällig und pfercht ihre Bewohner unter dem „Messe“-Vorwand in riesigen Hallen zusammen, damit sie nicht so viel Dreck auf den Straßen machen. Eigentlich eine schlaue Idee. Aber ich glaube, beim nächsten Mal bleibe ich einfach zu Hause und harke in Ruhe meine Gartenanlage. Oder den Lotto-Automaten.

Wer im Glashaus sitzt, sollte sich im Dunkeln umziehen.

Gestern kamen wir spät nach Hause und die Menschin schleppte einen gläsernen Kasten vor sich her. Meine Bitte, im Kasten sitzen zu dürfen und so mehr vom Weg und der Welt sehen zu können, schmetterte sie ab mit dem flachen Argument, dass es a) dunkel sei und b) nichts zu sehen gäbe. Letzteres führte mich zu der interessanten Frage, ob es Dinge in der Welt gibt, die von vornherein nicht dazu gemacht sind, gesehen zu werden und dementsprechend nicht zu sehen sind, während andere allein von der Betrachtung leben. Diese Frage ist leicht zu beantworten. Wer einmal einem Tiefseefisch bei Tageslicht gegenüberstand oder -schwamm, merkt schnell, dass diese Tiere tendenziell eher unter der optischen Wahrnehmungsgrenze rangieren sollten.

Worauf ich eigentlich hinauswollte: Der mysteriöse Glaskasten steht derzeit auf dem Sofa. Das ist ziemlich blöd, denn das Sofa ist eher zum Sitzen konzipiert und der olle Kasten hat keinen Hintern. Beine hat er auch nicht, aber stehen kann er merkwürdigerweise trotzdem. [Sagt jetzt nichts. Ich habe Beine! Man sieht sie nur nicht so gut, weil die Hose so wuschlig ist.] Die Menschin sagt, wir brauchen den später. Meine Frage nach näheren kausalen Zusammenhängen beleidigte sie mit der banalen Antwort, dass mich das a) nichts anginge und ich es b) schon früh genug erfahren würde. Jetzt mache ich mir natürlich berechtigterweise Sorgen. Denn was kann ein Mensch mit einem Glaskasten anfangen?

a) Ihn leer rumstehen und einstauben lassen.
b) Etwas darin einsperren.
c) Ihn medienwirksam kaputthauen.
d) Eine Glaskastensammlung damit aufbauen.

Option a) liegt nicht nahe, denn zum Verstauben hätte sie ihn nicht herholen müssen und c) ist gefährlich und abwegig, denn die Menschin sieht nicht gern Blut. Bleiben nur noch b) und d), wobei Letzteres auch nicht einleuchtet, da die Menschin bereits etwas anderes sammelt. Also wird sie mich einsperren und Geld für meine Betrachtung verlangen! Ein Hugo-Zoo! Vielleicht sogar noch mit anderen von meiner Sorte! HEILIGES X!
Ich muss einen Fluchtplan entwickeln. Vorschläge werden gern entgegengenommen.

Aber worauf ich eigentlich hinauswollte. Ich habe ein Rätsel der Evolution gelöst. Darwin hatte ja ein paar ganz nette Ideen, aber den eigentlichen Clou hat er verpasst! Seht euch mal bitte folgendes Bild an:

Chililution

Was können wir hier ganz deutlich erkennen? Ganz deutlich? Ohne zusätzlich etwas hineindeuten zu müssen? Genau. Der Mensch hat sich aus der Chilischote entwickelt.

Hinweise darauf findet man vor allem darin, dass Menschen fast nie grün sind (aber öfter mal rot) und dass sie den aufrechten Gang bevorzugen, ebenso wie die ausgewachsene Chili – allerdings ist der Mensch noch aufrechter und größer und gängiger, muss also eine Weiterentwicklung sein. Sicher, Kritiker werden anbringen, dass der gemeine Mensch zwar gern mal für etwas brennt, aber ebenso sauer oder gar verbittert sein kann, doch es ist ja gar nicht bewiesen, dass die Ur-Chili, die die Grundlage für beide Arten (Chili und Mensch) darstellt, nicht auch diese Geschmacksrichtungen gehabt hat! Hat das denn damals mal einer geschmeckt? Nein! Daher lässt sich diese These wohl kaum falsifizieren und ich begrüße den Dienstag mit einem vollmundigen: Ich habe recht.
[Aber vergesst bei aller naturwissenschaftlicher Betrachtung bitte niemals das lauernde X, das irgendwo die Gefahr verkündet. Nachts ist es schließlich kälter als draußen.]