Das Dienstagsding, diesmal: Kunst.

Die Menschin hatte sie wieder einmal – ungefragt und ungewaschen saß sie neulich mit bei uns am trauten Frühstückstisch: die Krise. Eigentlich war es mein Fehler, denn ich hatte Eierkuchen gemacht („Pancakes“ gibt es bei uns nicht mehr, weil die neue Pfanne kein Englisch kann) und das hat die Krise wohl angelockt. Lässig schwang sie sich durch’s Küchenfenster herein und kollidierte fast mit dem entfleuchenden Eierkuchen-Mulm, wich fluchend aus und schmetterte ihren dürren Knochenpopo ungefragt auf einen gut gepolsterten Stuhl.

Die Menschin kam herangeschlichen, kämpfte sich Meter um Meter durch das dröhnende Gegenlicht und ließ sich schließlich auf ihren Platz fallen, während ich noch mit der Pfanne jonglierte. Mit dem rechten Fuß reichte ich ihr eine Tasse Tee und warf ihr aus dem Mundwinkel ein Lächeln herüber. Die Menschin gähnte derart, dass ihr Morgenmantel noch lange nachwehte … Aber ich komme hier ja ganz vom Thema ab.

Also, was ich eigentlich sagen wollte. Es dauerte genau 1,692 Eierkuchen, bis sie die Krise bemerkte, die unbeteiligt an ihrem Appetit nagte.
„Was willst du hier?“, fragte sie überrascht und ein wenig zander barsch, doch die Krise zog nur pfeifend Luft durch die Schneidezähne und ließ sich dann zu einem Grinsen herab. Die Menschin legte ihr Besteck zur Seite. Ich legte die Ohren an. Ein Grasballen fegte durch die Küche und verglühte im Gleißen der Morgensonne. In der Ferne bellte ein Hund. Brutus-Jolanthe seufzte vor der Tür.

„Ich komme mit einer Frage“, versetzte die Krise schließlich.
„Ich werde dich nicht daran hindern, mit deiner Frage auch wieder zu gehen“, gab die Menschin zurück. Sie schien nicht gerade … amüsiert. Die Krise fragte trotzdem.

„Welche Berechtigung kannst du eigentlich vorweisen, den lieben langen Tag nichts Sinnvolles zu tun und stattdessen Kunst zu ‚machen‘?“

Eine Fliege versuchte unauffällig, das knappe Eierkuchendrittel der Menschin an sich zu reißen, doch die Zunge der Krise war schneller. Genüsslich lutschte sie ein Fliegenbein nach dem anderen. Als sie sah, dass die Menschin jegliche Antwort schuldig zu bleiben gedachte, nahm sie einen Hut von der Wand, setzte ihn sich aufs Haupt, um ihn direkt wieder zu lüften und kommentarlos die Regenrinne hinabzurauschen. Weg war sie! Heiliges X, das war knapp gewesen. Doch die Menschin schaute nicht gerade ritterlich drein.

„Was soll man dazu sagen?“, fragte sie mich, MICH!, und betrachtete zagend den Grund ihrer Teetasse. Ich zuckte die Schultern. „Eigentlich hat sie doch gar nicht recht“, versuchte ich vorsichtig, eine Wogenglättung anzusteuern. „Schließlich machst du doch gar keine Kunst.“

Nun, das Glätten ohne Plättbrett ist in den seltensten Fällen eine faltenfrei gute Idee. Doch ich bemerkte es erst, als sich der Blick der Menschin bereits in einem ungesund intensiven Stadium auf mir gebündelt hatte und sie augenscheinlich versuchte, mich ohne Retourschein zum Teufel zu … „Heiliger Bimbam, da bin ich wieder!“, krähte es da noch einmal durch das Fenster herein. „Ich hatte vorhin etwas vergessen. Du sollst die Frage bitte beim Nachbarn abgeben, ok? Ich stecke ihm auch einen Zettel in den Briefkasten!“

Wer im Glashaus sitzt, sollte sich im Dunkeln umziehen.

Gestern kamen wir spät nach Hause und die Menschin schleppte einen gläsernen Kasten vor sich her. Meine Bitte, im Kasten sitzen zu dürfen und so mehr vom Weg und der Welt sehen zu können, schmetterte sie ab mit dem flachen Argument, dass es a) dunkel sei und b) nichts zu sehen gäbe. Letzteres führte mich zu der interessanten Frage, ob es Dinge in der Welt gibt, die von vornherein nicht dazu gemacht sind, gesehen zu werden und dementsprechend nicht zu sehen sind, während andere allein von der Betrachtung leben. Diese Frage ist leicht zu beantworten. Wer einmal einem Tiefseefisch bei Tageslicht gegenüberstand oder -schwamm, merkt schnell, dass diese Tiere tendenziell eher unter der optischen Wahrnehmungsgrenze rangieren sollten.

Worauf ich eigentlich hinauswollte: Der mysteriöse Glaskasten steht derzeit auf dem Sofa. Das ist ziemlich blöd, denn das Sofa ist eher zum Sitzen konzipiert und der olle Kasten hat keinen Hintern. Beine hat er auch nicht, aber stehen kann er merkwürdigerweise trotzdem. [Sagt jetzt nichts. Ich habe Beine! Man sieht sie nur nicht so gut, weil die Hose so wuschlig ist.] Die Menschin sagt, wir brauchen den später. Meine Frage nach näheren kausalen Zusammenhängen beleidigte sie mit der banalen Antwort, dass mich das a) nichts anginge und ich es b) schon früh genug erfahren würde. Jetzt mache ich mir natürlich berechtigterweise Sorgen. Denn was kann ein Mensch mit einem Glaskasten anfangen?

a) Ihn leer rumstehen und einstauben lassen.
b) Etwas darin einsperren.
c) Ihn medienwirksam kaputthauen.
d) Eine Glaskastensammlung damit aufbauen.

Option a) liegt nicht nahe, denn zum Verstauben hätte sie ihn nicht herholen müssen und c) ist gefährlich und abwegig, denn die Menschin sieht nicht gern Blut. Bleiben nur noch b) und d), wobei Letzteres auch nicht einleuchtet, da die Menschin bereits etwas anderes sammelt. Also wird sie mich einsperren und Geld für meine Betrachtung verlangen! Ein Hugo-Zoo! Vielleicht sogar noch mit anderen von meiner Sorte! HEILIGES X!
Ich muss einen Fluchtplan entwickeln. Vorschläge werden gern entgegengenommen.

Aber worauf ich eigentlich hinauswollte. Ich habe ein Rätsel der Evolution gelöst. Darwin hatte ja ein paar ganz nette Ideen, aber den eigentlichen Clou hat er verpasst! Seht euch mal bitte folgendes Bild an:

Chililution

Was können wir hier ganz deutlich erkennen? Ganz deutlich? Ohne zusätzlich etwas hineindeuten zu müssen? Genau. Der Mensch hat sich aus der Chilischote entwickelt.

Hinweise darauf findet man vor allem darin, dass Menschen fast nie grün sind (aber öfter mal rot) und dass sie den aufrechten Gang bevorzugen, ebenso wie die ausgewachsene Chili – allerdings ist der Mensch noch aufrechter und größer und gängiger, muss also eine Weiterentwicklung sein. Sicher, Kritiker werden anbringen, dass der gemeine Mensch zwar gern mal für etwas brennt, aber ebenso sauer oder gar verbittert sein kann, doch es ist ja gar nicht bewiesen, dass die Ur-Chili, die die Grundlage für beide Arten (Chili und Mensch) darstellt, nicht auch diese Geschmacksrichtungen gehabt hat! Hat das denn damals mal einer geschmeckt? Nein! Daher lässt sich diese These wohl kaum falsifizieren und ich begrüße den Dienstag mit einem vollmundigen: Ich habe recht.
[Aber vergesst bei aller naturwissenschaftlicher Betrachtung bitte niemals das lauernde X, das irgendwo die Gefahr verkündet. Nachts ist es schließlich kälter als draußen.]